Die „ALTWEIBERMÜHLE" der freien Narrenzunft Wolfach

 

Weibermühle von Trippsdrill 1892 (Lithographie)

 

Der Inhalt ist schnell erzählt:

Nacheinander erliegen ein Weber, ein Schneider, ein Schuster, ein Bauer, ein Schreiber und der Hanswurst Stolprian den Verführungskünsten eines Müllers, der seine Mühle als wahre Schönheitsfarm für deren runzlig gewordenen Ehefrauen anpreist. Und in der Tat: Die Frauen (mit Ausnahme der des Hanswursts) werden nach der Behandlung in der Mühle jung und schön vom „Kleiekotzer" ausgeworfen. Aber sie laufen ihren alt gebliebenen Männern mit jungen Galanen davon. Der Hanswurst spekuliert auf dieses Ergebnis. Er will seine grässlich aussehende Alte loswerden und hofft, sie laufe auch ihm weg. Aber er wird bestraft. Die Mühle müht sich fürchterlich ab mit Stolprians Frau. Unter Donnergrollen, Ächzen und Stöhnen kommt eine Alte heraus, die noch viel schrecklicher anzusehen ist als zuvor. Und sie will den Stolprian behalten, sie, die sich als Mutter des Entechrists outet. Und was lernen Männer und Frauen? Die Männer: „Dass zu der Weibertreu die Schönheit oft gefährlich sei" und die Frauen: „Dass zu der Männertreu die Schönheit nur der Antrieb sei".

 

Das Spiel der Spiele

„Allo! Mein Mühlrad wie der Wind

Dich hurtig trill herum!

Nimm sie nur wacker bei dem Grind!

Die ganz Natur kehr um!

Mach, dass sie sauber jung und fein

Aus einer alten Hex erschein,

:/: Allo, Allo, Allo:/:"

 

Als 1987 das 200 Jahre alte Fasnachtsspiel „Altweibermühle" in Wolfach gleich zweimal aufgeführt wurde (am Sonntag, 8. Februar, in der Festhalle und am Schellenmendig auf dem Marktplatz), schrieb Spielleiter Josef Krausbeck begeistert: „Dabei handelt es sich nicht um ein beliebiges Fastnachtsspiel, sondern um ein Spiel, das nach Ansicht vieler fasnächtlicher Forscher einmalig ist im gesamten schwäbisch-alemannischen Fastnachtsraum, noch existiert etwas gleiches in Europa. Ein Spiel, das mit eigener, durch alle Szenen gleichbleibender Melodie, gespielt und gesungen wird." Die Aufführung 1987 fand übrigens eine herausragende Resonanz in der einheimischen Bevölkerung wie auch bei den auswärtigen Gästen. Die rund 60 Akteure wurden begeistert gefeiert.

Heutige Kosmetikkonzerne müssten Unsummen ausgeben, um ein Anti-Aging-Produkt mit solch durchschlagendem Erfolg (aus alt macht jung) auf den Markt zu bringen, wie dies dem Fürstlich Fürstenbergischen Schulvisitator Georg Anton Bredelin 1787 mit dem Fasnets-Festspiel „Die Weibermühle von Tripstrill" gelang. Der Zauber dieses heiteren Singspiels mit der eingängigen Melodie wirkt bis heute und wer die Töne einmal im Kopf hat, verliert sie so schnell nicht mehr. Aber Bredelin hat natürlich das richtige Rezept fürs versöhnlich-närrische Happyend, bei dem Männer und Frauen ganz ohne die Zauberkünste der Müller-Mühle verjüngt werden: 

„Die Mühl, die isch die Fasnetszitt,

die duet verjünge alle Litt!

Drum mache mit voll Schwung!

S' wurd alles wieder jung!

Narro, Narro!"

 

„Alter Schiissdreck?"

1803, 1836, 1858 und 1892 nachweislich in Wolfach aufgeführt, wurde das Spiel Bredelins schließlich regelrecht „verbannt". Abergläubische Wolfacher hatten in den Aufführungsjahren 1836 und 1892 einen Zusammenhang mit den großen Brandkatastrophen (Salmenbrand und Rathausbrand) hergestellt. Und als der engagierte Wolfacher Kaufmann, Heimatpfleger und Erznarr Josef Krausbeck (1909 bis 2000) das Spiel nach 1949 wieder aufführen wollte, kassierte er von Narrenräten nach eigenem Bekunden eine herbe Abfuhr: „Der alte Schiissdreck, den will doch heute niemand mehr sehen!" Aber er gab nicht auf, setzte sich durch und so kam es erst 1973 zur ersten vollständigen Wiederaufführung des schönen Fasnetsspiels, das seither alle fünf Jahre die Zuschauer am Schellenmendig auf der Bühne vor dem Rathaus begeistert.

Aber woher hatte Krausbeck nach der 81-jährigen Aufführungspause den Text, wie waren die Noten überliefert worden? Glücklicherweise existierten noch das alte handgeschriebene Textbuch von 1803 (heute im Museum) und die Textbücher der Aufführungen von 1858 und 1892. Zu diesen beiden Aufführungen hatten der Wolfacher Lithograph Adolf Neef und sein Sohn die Darstellungen gezeichnet. Krausbeck vermutete, dass Adolf Neef die Aufführung von 1836 noch im Kopf hatte, als er die Lithographien für 1858 schuf. Und so hat Neef die Mitwirkenden in der Kleidertracht von 1836 ausstaffiert. Deshalb hat sich auch Krausbeck bei der Wiederaufführung von 1973 für eine Art Biedermeiertracht entschieden. Noten existierten allerdings keine. Die Melodie war aber in den Köpfen einiger Wolfacher erhalten geblieben. 1950 sang der mit Krausbeck befreundete Altnarro Glasmaler Georg Straub dem damaligen Stadtkapellmeister Eugen Lang die Melodie vor, der sie aufschrieb und in das Fasnets-Repertoire der Stadt- und Narrenkapelle aufnahm. Die Melodie wurde für leichtere Singbarkeit von Dr. Hartmut Braun vom Deutschen Volksliederarchiv Freiburg umgeschrieben.

Aber auch schon vor der Wiederaufführung 1973 hat Josef Krausbeck die Erinnerung an die Altweibermühle hochgehalten und sie geschickt in andere Fasnetsspiele eingebaut. So hat die Mühle im Festspiel „Der Narrogeist im Fass" (1937/1958) aus Fasnetsgegnern in der damaligen Obrigkeit echte Hansel werden lassen:

„Ja, in die Mühle mit den Alten!

Der Müller soll des Amtes walten....

Feg' er aus ihrem Hirn die Sparren

Und mach' aus ihnen junge Narren!"

Und ganz gewitzt setzte Josef Krausbeck die Mühle in seinem ersten Fasnetsspiel nach dem zweiten Weltkrieg ein, als 1949 die „Neugeburt des Narrogeists" aufgeführt wurde. Dazu muss man wissen, dass Krausbeck ein entschiedener Gegner der Nazis war. Zu Beginn des Spiels hängen die Bürokraten das Schild „Entnazifizierung" an die Mühle. Sie singen:

„Schaut mit freudigem Gefühle,

Hier ist die Erneuerungsmühle,

Die euch säubert und auch putzt,

Was gebräunt ist und verschmutzt....

Aus der Mühle kommt mit Saus

alles blitzblank weiß heraus,

Selbst die braunsten Akten!"

Aber der Amtsschimmel verstopfte den Bürokraten das Hirn und so wird die Mühle mal wieder zur Retterin der Wolfacher Fasnet und der Einigkeit. Der Rat des Hansels an die Bürokraten:

„Nun losst der Narrogeischt euch sage:

„Ihr sollt den Sprung in die Mühle wagen,

Dass jeder von euch, so wie sichs ghert,

En rechter Narro werd!"

 

Von der Companie zur Narrenzunft

Seit 1973 also gehört das Festspiel „Altweibermühle" zum festen Repertoire der Wolfacher Freien Narrenzunft, deren Gründung mit diesem Festspiel eng verbunden ist. Als nämlich der fürstenbergische Schulvisitator Georg Anton Bredelin 1787 das Stück in seiner Hausacher Dienstzeit schrieb, konnte er es dort selbst nicht aufführen lassen. Krausbeck vermutete, dass dies mit den damals noch „nur sehr dürftig vorhandenen fasnächtlichen Gepflogenheiten" in Hausach zusammenhing. Außerdem hatte man in Wolfach bereits eine Tradition an Theateraufführungen. Es gab die sogenannte „Commedianten- Companie" die mancherlei Spiele aufführte. So ist aus dem Jahr 1788 die Aufführung der „Fuxenkomedie" im Rathaus überliefert. Krausbeck bedauerte sehr, dass von diesem Spiel, bei der die Kinder unter der Leitung ihres Lehrers mitspielten, kein Text mehr vorhanden war. 1816 taucht dann erstmals der Name Narrenzunft auf für den lockeren Verbund der Wolfacher Narren. Sie wechselten laut Otto Schrempp in den folgenden Jahrzehnten öfters den Namen, nannten sich mal „Freunde der Fastnacht", mal „Narhalla Wolfach", mal Freie Narrenvereinigung Wolfach, bis dann 1933 beschlossen wurde, endgültig „für alle Zitte" als Freie Narrenzunft Wolfach aufzutreten.

 

Großes Echo in den Medien

Noch vor der vollständigen Wiederaufführung 1973 schrieb das Festspiel „Altweibermühle" auch Mediengeschichte. 1952 ging es als Hörspiel, ausgestrahlt vom Südwestfunk über den Äther. Und 1963 gar gab es den Fernsehfilm „Die Altweibermühle zu Wolfach" des Baden-Badener Regisseurs Horst Scharfenberg („Mainz wie es singt und lacht"), der bundesweit ausgestrahlt wurde. Eine der Hauptrollen hatte damals die junge Monika Daniel, Schwester des Wolfacher Friseurmeisters Helmut Daniel. Zu sehen sind im Film auch die legendären Schnurranten „Dick und Doof" (Albert Wöhrle und Raimund Schuler) und der Liederkranzsänger Erwin Engler als Müller auf der Mühle. Wenn auch die „Altweibermühle" in diesem Film nur mit kurzen Szenen gezeigt wird, so wurde sie doch durch diesen Film bundesweit bekannt. Der Film Scharfenbergs wurde zum Jubiläum der Narrenzunft und während der Festspieltage im Museum im Fürstenberger Schloss gezeigt.

Aber auch Wissenschaftler beschäftigten sich mit dem Phänomen der Altweibermühle. Vom Institut für wissenschaftlichen Film in Göttingen kamen 1977 Dr. Franz Simon und Prof. Dr. Rolf Wilhelm Brednich mit ihrem Team zur Aufnahme nach Wolfach. Ihr Interesse an der Wolfacher Fasnet war zur Freude von Josef Krausbeck so groß, dass sie 1983 nochmals Aufnahmen der Wolfacher Fasnetsbräuche machten.

Für die Wiederaufführung 1973 hat Josef Krausbeck übrigens eine erklärende Sprecherrolle in Reimform geschrieben. Diese Texte sind aber im Gegensatz zu den Rollentexten von Bredelin im Wolfacher Dialekt verfasst. Die Sprecherrolle gehört bis heute zum Spiel, das alle fünf Jahre aufgeführt wird. In der langen Festspieltradition nimmt die „Altweibermühle" zwar eine herausragende Stellung ein, weil sie den Reigen eröffnete und seit 1973 einen festen fünfjährigen Aufführungsrhythmus hat, aber die Gesamtliste der Festspiele ist ein wahrer Schatz, der den Ideenreichtum und die Spiellust der Wolfacher widerspiegelt.

Anlässlich der „Närrischen Festspieltage, 200 Jahre Narrenzunft Wolfach" vom 16.-18. Januar 2015 wurde das Festspiel „Altweibermühle" gleich zweimal aufgeführt (erstmals auch als Nachtaufführung).

Weitere Details zur Festspieltradition der Freien Narrenzunft Wolfach sind in der Festschrift (erhältlich im Online-Shop unter www.narro-wolfach.de) nachzulesen. Und übrigens: 2017 ist wieder „Altweibermühle"-Jahr!

Auszug aus der Festschrift anlässlich der
„Närrischen Festspieltage, 200 Jahre Narrenzunft Wolfach"
vom 16.-18. Januar 2015 (Seite 26-33)
Text: Margarete Dieterle

Festspielgruppe 2012

-> Presse-Artikel auf "baden online": http://www.bo.de/lokales/kinzigtal/die-altweibermuehle-rattert-dieses-jahr-erstmals-auswaerts

-> Die Weibermühle in Wolfach - NARRENBOTE Nr. 40 -  Download